Fallout 4 im Weltraum, was für ein Spaß!

Jetzt fange ich einfach direkt mit den positiven Seiten an. Die Texturen der Umgebung und Gegenstände sind für ein Bethesda-Spiel ausnahmsweise mal nicht brechreizerregend, da hat sich das Grafik-Team so richtig ins Zeug gelegt. Es gibt sogar native Unterstützung für Ultrawide-Auflösungen! Außerdem bedanken sich verbündete Raumschiffe per Funk, wenn man Feinde im selben Orbit erledigt. Hmm … mir ist das Spiel bislang nur beim Laden eines Spielstands im Hauptmenü mehrmals abgestürzt, aber nicht während des Gameplays. Puh, jetzt gehen mir langsam die Argumente für dieses groß angekündigte AAA-Epos aus.

Und bevor der obligatorische Verriss so richtig losgeht, erstmal ein paar Sätze zur Hauptgeschichte (weitgehend spoilerfrei). Als einfacher Bergwerkarbeiter, hier Miner genannt, stolpert man über ein altes Relikt, nach dem – wie sich später herausstellt – auch die Drachen… äh … Sternenblüter suchen. Nur aufgrund der Tatsache, dass man seltsame Visionen danach hatte, erhält man wenig später gleich ein ganzes Schiff geschenkt, mit dem man zur Hauptstadt auf dem nächsten kolonisierten Planeten fliegt. Dort geht man mit der Loge zusammen auf Jagd nach den eben genannten Artefakten, die auf diversen Planeten verstreut aufzufinden sind. Nachdem man alle beisammen hat und sich seinem rivalisierenden Suchtrupp gestellt hat, kommt eine etwa fünfminütige Passage, die ich hier wegen Spoilern auslasse, und der Abspann läuft durch. Auf ins New Game Plus … oder besser nicht.

Nun geht es ans Eingemachte, denn wie im allerersten Satz schon angeteasert, verkauft Bethesda hier nach Fallout 76 das dritte Mal im Kern dasselbe Spiel: Fallout 4. Diesmal zwar oberflächlich aufpoliert, aber es ist dennoch unverkennbar stark in jedem von Starfields Spielkonzepten enthalten. Dabei fängt es doch so vielversprechend an, sogar mit voll animierten, natürlich agierenden Charakteren (2 an der Zahl). Diese Fassade fällt jedoch spätestens nach der 20 Minuten späteren Charakterauswahl in sich zusammen, denn ab dort ist wirklich komplett Schluss mit guten, realistischen Animationen oder auch nur synchronen Mundbewegungen. Ja, richtig gelesen, jede einzelne verkackte Zeile gesprochener Text im gesamten Spiel ist so extrem asynchron zu den Lippenbewegungen, dass regelmäßig das Gegenüber bis zu 10 Sekunden länger spricht als die Mundbewegungen dauern!

Die Sprungphysik, die Charakterbewegungen, die unterirdische PC-Leistung, die übertriebene Tiefenunschärfe bei Gesprächen, die Anzahl der Glitches, das sekundenlange Einfrieren des Bildschirms beim Waffenwechsel – einfach jede schlechte Eigenschaft wurde von Fallout 4 übernommen. Nur leider bleibt es dabei nicht, denn irgendwie haben die Autoren es geschafft, alle Quests noch sinnloser und langweiliger zu machen. Jede Entscheidung ist so scheißegal, dass es eine Frechheit von Bethesda ist, den Begriff RPG noch irgendwie mit diesem Schundwerk in Verbindung zu bringen. Wieder mal wurde von Fallout 4 kopiert: Erste Option positiv, zweite negativ, dritte sarkastisch oder eine Frage – insgesamt aber trotzdem ein und derselbe Ausgang. Wenn man vom einwöchigen Vorabzugang mit 30 € Zuschlag noch nicht genug verarscht wurde, so schafft dies spätestens diese Illusion einer bedeutsamen Wahl.

Na wenigstens sieht es schön aus, könnte man nun argumentieren. Ja, die Inneneinrichtungen sind lobenswert, auch ein paar wenige Städte sind in ihrer Struktur nett anzusehen. Wäre da nicht die unglaublich schlechte Performance, wodurch selbst meine RTX 4090 und Ryzen 9 5900X an manchen Orten nicht einmal 60 FPS erreichen. Fremde Planeten sind dagegen zwar sehr viel flüssiger, aber dafür komplett zufallsgeneriert, leer und trotz hoher Texturauflösung meist sehr hässlich. Das Problem ist eben, dass man durch genau diese endlosen Felswüsten sehr, sehr oft im Spiel laufen muss, bis man nach 5 bis 10 Minuten endlich ein händisch erstelltes Gebiet erreicht. Dass das Warten auf die Sauerstoffregeneration den Spielspaß dabei noch weiter senkt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.

So, jetzt bin ich also endlich an der nächsten verlassenen Forschungsstation angekommen, doch was muss ich erblicken? 1:1 kopierte Gebäude, Innenräume und Gegnerpositionen von den hunderten anderen erkundbaren Planeten, dazu bei freundlichen Bewohnern noch nervige unendliche Zufalls-Quests – wer es bei den vorgegaukelten Entscheidungen noch nicht getan hat, kotzt jetzt wahrscheinlich im Strahl. Starfield ist genauso seelenlos und sinnbefreit wie all die glubschäugigen NPCs, die in den Städten wie Zombies herumlaufen und sich anscheinend im Wettbewerb um den abstoßendsten Gesichtsausdruck gegeneinander messen. Zwar sind die Haare deutlich schöner als noch in älteren Vertretern des Baller-Loot-Gelaber-Genres, doch ruft der Bartbewuchs dafür erschreckenderweise Erinnerungen an die einzeln stehenden Halme der Grünflächen im Rasenmähersimulator wach.

Statt wohlwollender Schlussworte liste ich hier einfach noch ein paar negative Stichpunkte auf, die mir beim Spielen in die Augen gesprungen sind:
- Um mit Leuten zu sprechen, müssen diese erst ihre Animationen beenden und in einen herumstehenden Zustand wechseln, darum kann man auch mit sitzenden, liegenden oder anderweitig beschäftigten Menschen keine Gespräche führen (gescriptete Quest natürlich ausgenommen).
- Tasten wie E oder TAB müssen häufig erneut gedrückt werden, ohne erkennbaren Grund
- Freies Erkunden war mal wieder eine typische Marketing-Lüge, stattdessen wird alles durch Ladebildschirme und Schnellreisen getrennt
- Questmarker sind vollkommen sinnlos, denn oft zeigen sie trotz ausgewählter Quest nur aufs Schiff oder gleich alle verfügbaren Türen in Städten, aber nicht auf das Ziel (die Hauptgeschichte ist davon auch betroffen)
- Kein HDR, kein exklusiver Vollbildmodus, kein FOV-Slider, kein Ray Tracing (bei der Creation Engine vermutlich nicht möglich)
- Umständliches Bauen von Raumschiffen
- keine grafischen 3D-Karten für Planeten und überhaupt keine für Innenräume
- Ständiges Zurückkehren in Standardgesichtszüge bei NPCs
- Noch uninteressantere Story als bei Fallout 4
- Softlocking beim Schlösserknacken möglich, wenn man zu schnell TAB drückt

Reviewed on Sep 17, 2023


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