Divine Divinity ist der erste Teil der Divinity-Reihe und fühlt sich an wie ein klassisches, typisch deutsches RPG – tatsächlich stammt es aber von einem belgischen Studio. Leider ist das Spiel in Sachen Qualität ein zweischneidiges Schwert.

Ich fange einfach mal mit den sehr positiven Seiten an, anscheinend wurde das gesamte Budget in die ersten zwei Drittel des Spiels gesteckt. Die Karten sind für das Alter des Rollenspiels in Isoperspektive extrem groß, wobei aber nicht jeder Zentimeter außerhalb der Städte und Dorfgebiete gut ausgearbeitet wurde. Oft sind in diesen Zwischenbereichen einfach ein Haufen heimische Gegner zu finden, darunter Schlangen, Orks, Wölfe und allerlei andere Kreaturen. Man kann schon ganz am Anfang praktisch überall auf der Karte herumwandern und Nebenquests erfüllen, die zuweilen durchaus spaßig sind.

Fast jedes Gespräch hat ironische oder generell lustige Antwortoptionen, die jedoch keinesfalls überhandnehmen, sodass die Geschichte immer noch halbwegs ernstzunehmen ist. Auch nehmen die Charaktere ähnlich wie im modernen Klassiker „The Witcher 3“ kein Blatt vor den Mund. Rassen gibt es in den Landen viele, darunter natürlich Zwerge, Elfen und Menschen. Besonders die Konstellation zwischen den ersten beiden Völkern ist genretypisch zu Kriegereien verdammt, was sich hier – zwar nur aufgrund höherer dunkler Mächte – erneut bewahrheitet. Lustig sind dabei die Gespräche, die man als unbeteiligter Mensch an den Versammlungsorten beider Mächte belauschen kann, denn es offenbart sich, dass viele bürgerliche Zwerge und Elfen gar nicht wissen, gegen wen eigentlich gerade Krieg im Raum steht und sie stellen wilde Vermutungen darüber an.

Wenn man das eigentlich Gameplay abseits von Gesprächen ansieht, merkt man, dass die frei beweglichen Kisten und sonstige Gegenstände endlich mal einen echten Sinn haben. Denn in einigen Quests ist ein Vorankommen nur mittels Durchgängen hinter bewegbaren Objekten möglich, was ich sehr begrüße. Selbst Items kann man wie in alten MMORPGs frei im Inventar herumschieben, wobei ich froh bin, dass diese Praxis in heutigen Spielen übersichtlicheren Designs gewichen ist.

Synchronisiert wurde ein für damalige Verhältnisse beträchtlicher Teil der Konversationen, nicht nur die allergrößten Quests. Leider kommen die Sprecher dann doch oft nicht über das Niveau einer Pen-and-Paper-Gruppe hinaus.

Getrübt wird der Gesamteindruck des Spiels eigentlich nur durch das letzte Gebiet sowie den dazugehörigen Dungeon mit dem Endboss und seinen Lakaien. Die Schwierigkeit der Bosskämpfe ist dort sehr unausgeglichen, verglichen mit dem Rest der Gebiete und den normalen Gegnern. Ein einziges Mal musste ich sogar eine alte Cheat-Engine-Tabelle nutzen, da ich trotz hundertprozentigem Durchspielen der gesamten Quests bis dorthin keine Chance hatte. Doch auch das Leveldesign im letzten Drittel bestand nur aus langweiligen Labyrinth-Strukturen und extremem Gegner-Gespamme.

Betrachtet man dieses Old-School-RPG insgesamt, kann ich aber doch noch eine klare Empfehlung für Genrefans aussprechen.

Vervollständigung: 100 %

Reviewed on Aug 20, 2023


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