This review contains spoilers

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es sich bei Pentiment um ein Mystery-Rätsel-Spiel handelt in dem man einen Mordfall in einem Kloster mit guter Auffassungsgabe und Deduktion lösen muss. Doch spätestens am Ende des ersten Akts merkt man, dass es in Pentiment um weitaus mehr geht.
Andreas Maler ist kein genialer Meisterdetektiv a la Sherlock Holmes und somit ist es ihm nicht vergönnt aus den gefundenen Beweisen eindeutig den Täter zu identifizieren und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Am Ende des ersten Akts beschuldigt man jemanden mit den spärlichen Beweisen, die man angesammelt hat und diese Person wird ohne Prozess hingerichtet. Eine Aufklärung ob dies nun wirklich der Mörder war gibt es nicht.
Diese Tatsache hat mich beim Spielen erstmal vor den Kopf gestoßen. Doch nicht nur ich als Spieler habe an diesen losen Fäden zu knabbern, sondern auch Andreas, der Hauptcharakter.
Er kann mit den Ereignissen rund um den Mord in Tassing nie abschließen und so kann er nicht glücklich werden bis die Wahrheit tatsächlich herauskommt. Selten gelingt es einem Spiel so gut, dass Spieler und Spielfigur authentisch die gleichen Gefühle teilen. Allein dieser Kniff macht Pentiment für mich zu etwas Besonderem.
Das Problem bei dieser Erzählweise ist, dass man sich als Spieler während eines Großteils der Spielzeit ein wenig verloren und ratlos fühlt. Das ist natürlich die Intention des Spiels, doch die trockene Präsentation macht es einem nicht leicht am Ball zu bleiben. Schafft man es allerdings nicht aufzugeben, so wird man schlussendlich doch mit einer zufriedenstellenden Auflösung des gesamten Mysteriums belohnt.

Neben der Erzählung glänzt Pentiment mit einer glaubhaften Mittelalterwelt. Das kleine Örtchen Tassing sowie die dort taktgebende Abtei Kiersau begleiten Andreas über einen Zeitraum von 25 Jahren in denen sich der Ort und alle seine Bewohner stetig weiterentwickeln und einem ans Herz wachsen.
Besonders spannend ist die Auseinandersetzung des Spiels mit den zahlreichen realen Konflikten der Zeit. Kirche, Bauern, Bürger, Adel sowie Reformanten haben alle unterschiedliche komplexe Charaktere und Motive, welche miteinander reiben und immer wieder Spannung erzeugen. Das ist nicht nur gut recherchiert sondern auch noch überzeugend auf die vielen Nebencharaktere umgesetzt. Gerade einige der Dorfbewohner und Mönche wachsen einem sehr ans Herz und man findet sich oft zwischen den Fronten und ist mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert.

Bei all dem Lob, gäbe es allerdings auch noch Einiges, was Pentiment zu einem besseren, zugänglicheren Spieleerlebnis machen könnte.
Eine komplette Lokalisierung wäre natürlich wünschenswert, aber eigentlich würde es schon reichen, wenn man öfters Hintergrundmusik hätte um die Monotonie des ständigen Lesens aufzubrechen. Generell ist die Geräuschkulisse in Pentiment größtenteils sehr spärlich und erinnert mich an die paar Ambient-Geräusche aus der Dose, welche man als Spielleiter bei Pen and Paper Runden einsetzt. Trotz des kleinen Budgets hätte ich mir von Obsidian mehr Mühe in diesem Bereich erwartet.

Außerdem fehlen Gameplaymechaniken, die ein bisschen mehr Abwechslung bringen könnten. Dabei denke ich an Skillchecks wie in Disco Elysium. Eine gute Möglichkeit um in einem Dialog-lastigen Spiel ein paar spielerische Elemente unterzubringen.
Solche Momente gibt es extrem selten und wenn sie kommen, dann sind sie kaum vorhersehbar und scheitern zu 80%.

Alles in allem bietet Pentiment aber ein authentisches und tiefgründiges Mittelalterabenteuer, welches zum Nachdenken anregt und den Spieler belohnt, wenn er sich mit seiner Sperrigkeit auseinandersetzt.

Reviewed on Dec 19, 2022


Comments