Was für ein geniales Spiel.

Als ich irgendwann 2012 von meinen Eltern völlig zufällig "Phoenix Wright: Ace Attorney – Trials and Tribulations" bekam, weil es irgendwie das einzige DS Spiel war welches nicht viel zu überteuert verkauft wurde bei einem lokalem Händler, war ich anfangs irgendwie enttäuscht. Nur Text? Hä? Und dann auch noch Kriminalfälle? Das war für den zwölf-jährigen Erik DIE Definition von Langeweile.

Und dann habe ich das Spiel gespielt. Und ich liebte es.
Die Charaktere, die genau in diesem Spiel ihre Tiefe bekamen und ihren tragischen Ereignissen sich stellen mussten. Die Fälle, welche ohne Probleme in einem übertriebenen Animeplot behandelt werden könnten (und inzwischen auch wurden). Das Gameplay, welches das Erkennen, Befolgen und korrigieren einer Logik erforderte. Das Spiel ist dafür verantwortlich, dass ich nicht nur Visual Novels wie "Danganronpa", "999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors" oder "Steins;Gate" zu lieben lernte, sondern überhaupt erst für mich entdecken konnte - meine Liebe zu Ace Attorney ist aber nie verschwunden. Zwar habe ich die Investigations-Spiele als auch die letzten neuen zwei Teile, "Phoenix Wright: Ace Attorney – Dual Destinies" und "Phoenix Wright: Ace Attorney – Spirit of Justice" nicht gespielt, was letztendlich an den eher mittelmäßigen Kritiken damals als auch den in meinen Augen doch sehr langweiligen Setting liegt.(Bemerkung: damals! Je länger ich mir die Spiele in den letzten Tagen anschaue, desto mehr habe ich Lust, diese endlich nachzuholen.)

Ein großes Problem, welches ich mit den letzten Spielen vor allem hatte, war dann doch das eigentlich gleiche Setting, nur leicht weiter in der Zukunft mit den gleichen Gimmicks und den gleichen Charakteren. So sehr ich diese Personen liebe, man hat sich dann doch satt gesehen, wie Phoenix und co. unlösbare Fälle lösen und das immer wieder neu entdeckte, korrupte System zerstören oder kritisieren. Was fehlte war ein wirklich neues Setting; neue Zeit, neue Charaktere (losgelöst von den bisherigen Teilen), komplett neue Locations mit neuen Herausforderungen, welches gleichzeitig auch sehr gut für Neueinsteiger geeignet wäre.

Eintritt: "The Great Ace Attorney". Bestehend aus zwei Teilen, kam "The Great Ace Attorney Chronicles" 2021 ENDLICH in den Westen. Man kann nicht glauben, dass ich fast sechs Jahre auf dieses Spiel warten musste. Es sah schon immer so interessant aus, das Setting komplett neu. So neu, dass ich gar nicht wusste was ich von halten sollte und mich wirklich ingame überraschen lassen wollte.

Die Wartezeit hat sich gelohnt.

Großbritannien und Japan sind zum viktorianischen Zeitalter / Meiji Ära eine große Partnerschaft eingegangen. Ein großer Win für Japan, da sie von der Industrialisierung, der Mentalität, den großen Denkern als auch der Macht von Großbritannien profitieren. Das ist den Engländern bewusst und machen es durch ihre Überheblichkeit und rassistischem Verhalten, insbesondere gegenüber japanischen Menschen, bemerkbar. Umso schlimmer, dass aufgrund dieser Vereinbarung in Japan alles dafür getan wird, diese frisch gemachte Partnerschaft nicht zu verletzen oder in frage zu stellen. Und Ace Attorney üblich, der erste Fall tut genau das. Zeigt, dass egal welches Zeitalter, das juristische System nur genau so stark ist wie die Politik, in welcher diese beschlossen und definiert wurde. Und wer darf es ausbaden? Wir, Ryunosuke Naruhodo, Tatverdächtiger eines Mordes in einem "Café" in Japan, einer neuen Art von Gastronomie, übernommen aus Großbritannien. Das Opfer? Ein Engländer. Man merkt: schwierige Situation. Und so fängt also der erste Fall an, mit unserem besten Freund, Kazuma Asogi an der Seite, der uns verteidigen will, aber aufgrund besonderer Umstände uns als Beratung zur Seite steht, kämpfen wir uns gewohnt durch Zeugenaussagen, Erzählungen von korrupten Menschen als auch große Logiklücken. Diese Parts spielen sich gewohnt großartig; einzeln durch die Aussagen der Zeugen sich zu durchwühlen, ihnen zeigen dass dies nicht so hätte passiert können anhand der Beweise in der Gerichtsakte als auch an ihrer eigenen Aussage (oder Aussagen anderer Zeugen).
ABER: es gibt zwei neue Elemente, die in den folgenden Fällen noch eingeführt werden. Das erste ist die Jury, welche aus zufällig gewählten sechs Personen besteht. Nach gewissen Reveals im Gericht wird geskriptet die Jury eindeutig auf schuldig plädieren. Wir als Verteidiger können dagegen vorgehen, indem wir uns anhören, auf welcher Basis die Jury ihre Bewertung abgegeben hat. Anders als in den normalen Zeugenaussagen können wir nicht jederzeit Beweise hervorholen, sondern müssen die einzelnen Aussagen der Jury gegeneinander ausspielen, damit diese sich bewusst wird das der Fall nicht hier aufhören darf aufgrund von Unklarheiten.

Der zweite, große Unterschied im Gerichtssaal ist eine Neuerung aus dem (viel zu unterschätztem Spin-Off!) "Professor Layton vs. Phoenix Wright – Ace Attorney": wir haben mehrere Zeugen vor dem Zeugenstand! Wenn wir jetzt die Zeugen ausfragen, kann es passieren, dass bei ihrer Aussage eines der Zeugen oder mehrere Zeugen im Zeugenstand in irgendeiner Weise reagieren. Das bemerken wir und können nachfragen, weswegen sie so reagieren, was meist darin ausartet, dass in der Zeugenaussage ein neues Statement dazu kommt oder mehr Informationen durch Beweisführung ans Licht kommen.

Als wäre dies nicht schon eine großartige Ergänzung genug, haben wir auch bei den Rechercheparts des Spiels, in welchem wir von Ort zu Ort gehen und Zeugen ausfragen und Beweise suchen, auch eine Ergänzung: mit Hilfe eines gewissen Menschen (Promo-Material zeigt schon alles, aber ich bin blind reingegangen und fand es umso großartiger, wer das ist) können wir anhand einiger kleineren Indizien gewisse Sachen und Tathergänge deduzieren. Dieses sehr kleine, stylische Suchspiel nach Indizien ist leider nicht mehr als das: klein. Eine gelungene Abwechslung, welche viele Reveals bringt, jedoch besteht das Potenzial zu intensiveren Gameplay.

Dies ist aber okay. Nicht nur ist das der erste Teil dieser (bisherigen) Duologie, auch hat man durch das Setting und den neuen Ort als auch der spaßigen und durchgeknallten Charakterisierung der neuen als auch sehr bekannten Charaktere mit "einem gewissen Spin" so zutiefst charmant. Das alles ist eigenständig Grund genug, das Spiel zu spielen. Jetzt müsst ihr euch also auch noch meine Überraschung vorstellen, dass die Geschichte durch all die Fälle hinweg weitererzählt und schon von Fall 1 aus mit Hilfe der Kamera in der 3D Umgebung Serien-artig (durch verschiedene Kameraführungen, Bildkompositionen und vielen, einmaligen Animationen) inszeniert wird, sie auch noch das für Videospiele bisher sehr wenig angerührte Setting und Themes von Ungerechtigkeit und großen, politischen Konflikten und Verschwörungen umschließt UND die Charaktere sich nicht doof anstellen, sondern selber Meinungen haben, diese aussagen und sich auch so verhalten, wie man es sich vorstellt (samt rassistischer Bemerkungen gegenüber unseren Charakteren oder Einstehen zu dem Opfern rassistischer Taten)? Wow. Ja, sehr Anime, aber ein verdammt guter! Und ich will bitte mehr davon! Hat seinen Grund, weswegen ich die Silvesterwoche nichts zu tun hatte außer diesen 30h Klopper zu verschlingen. Enorme Suchtgefahr.

Reviewed on Jan 03, 2022


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