Die Folgen des D-Days

Medal of Honor ist weit mehr als nur ein Ego-Shooter, es gilt als Begründer eines gesamten Genres. Natürlich gab es auch vorher schon Ego-Shooter mit der Weltkriegsthematik, allerdings hievte Medal of Honor das ganze auf eine andere Ebene. Es ging nun nicht mehr nur darum einfach böse, böse Nazis abzuballern, sondern man wollte kurzerhand historische Ereignisse greifbarer machen. Man wollte den Spieler jetzt auch richtig an die historische Schlachten teilhaben lassen. Danach wollte schlicht jeder Kriegs-Ego-Shooter wie Medal of Honor sein.
Das ganze Spiel basiert auf der Idee von Steven Spielberg, der im Zuge der Recherchen für den Film Der Soldat James Ryan durchaus die Idee hatte, dass diese ganze Thematik auch ein gutes Videospiel abgeben würde. Dabei wollte Spielberg keine einfache plumpe Nacherzählung seines Kassenschlagers, sondern das ganze erlangte Wissen, was man damals für den Film zusammengetragen hat, sollte für was ganz eigenes eingesetzt werden.

Damit wurde der Grundstein für ein Meilenstein gesetzt, der durchaus so historisch akkurat wie selten ein Spiel zuvor aufwartete.
Ein Jahr nach Der Soldat James Ryan erschien nämlich Medal of Honor für die Sony PlayStation.

Jetzt ganze 25 Jahre später kann es natürlich sein Alter nicht vollkommen verbergen. Die Grafik ist natürlich total veraltet und die Standard-Steuerung ist aus heutiger Zeit schon extrem ungewohnt. Glücklicherweise bietet das Spiel aber auch mehrere vordefinierte Steuerungsprofile zur Auswahl an, wovon eines immerhin der mittlerweile etablierten Steuerung von Ego-Shootern auf Konsole recht nah kommt. Das führt tatsächlich dazu, dass Medal of Honor sich auch heute noch mit nur minimaler Umgewöhnung gut spielen lässt.
Ein paar Steuerungsmacken gibt es aber natürlich trotzdem, beispielsweise gibt es nur eine "Nächste Waffe"-Taste, was dafür sorgt, dass man ständig durch sämtliche Waffen schalten muss, um beispielsweise zwischen Pistole und Scharfschützengewehr zu wechseln. Und da man bis zu fünf unterschiedliche Waffen dabei hat und spätere Level durchaus mal eine schnelle Reaktion benötigen um einfach mal auf die Schnelle zwischen Schrotflinte und Sturmgewehr zu wechseln, ist das schon etwas nervig.
Medal of Honor zeichnet sich auch dadurch aus, dass es auch mit Undercover-Missionen aufwartet. Dort ist man als deutscher Offizier verkleidet und kann auch Missionen ohne wirkliche Feuergefechte schaffen, wenn man sich immer unbemerkt die richtigen Ausweise besorgt, um durch Kontrollen zu kommen. Leider hat man ein bisschen versäumt, diese Mechanik so richtig nützlich ins Spiel einzubinden. Denn um alle Orden zu erhalten, muss man Missionen mit 3 Sternen abschließen. Diese gibt es allerdings nur, wenn man die Mission mit mehr als 75% Lebensenergie sowie mehr als 95% von den Gegnern erledigt hat. Das betrifft auch die Undercover-Missionen, was damit zur Folge hat, dass man sich selbst durch diese Missionen einfach durchballern muss und sich die gesamte Undercover-Möglichkeit als nutzlos heraus stellt.
Ich denke vom Gameplay hätte es mehr Abwechslung gebracht, wenn man eher für die wesentlich schwierigere Undercover-Spielweise belohnt wird.
Für die Orden wird man in späteren Leveln sehr wahrscheinlich ins Backtracking geraten, um sich ein Medikit aus einem früheren Abschnitt zu schnappen, um wieder über die 75% zu kommen. Leider kann es durchaus vorkommen, dass man sich zwischendurch bereits zu weit entfernt hat und das Medikit mittlerweile aus dem Speicher gelöscht wurde und damit verschwunden ist, wenn man wieder dort ist. Fand ich leider auch nicht sehr geil, gerade weil man manchmal tatsächlich auch für die 95% erledigte Gegner zurücklaufen muss, weil ganz sporadisch einfach Gegner an einem vorherigen Punkt im Level erscheinen. Keine Ahnung, wieso das so entwickelt wurde, total gelungen scheint mir das nicht.
Als letztes kann ich sagen, dass ich mich frage, was die Entwickler eigentlich beim letzten Level des Spiels geraucht haben. Das fand ich leider mit Abstand als das schlechteste. In diesem bekommt man es plötzlich mit Dutzenden Gegnern zu tun, die natürlich auch in mehreren Wellen neu auftauchen, sobald man sich etwas entfernt hat. Natürlich muss man diese Gegner auch alle erledigen, für die 95%, ihr wisst schon. Diese Gegner beschießen den Spieler dabei auch mal kurzerhand aus mehreren Richtungen mit Panzerfäusten, wobei schon ein Treffer bereits das Spielende bedeutet. Übrigens, Kontrollpunkte gibt es im Spiel natürlich auch nicht. Stirbt man, heißt es, das ganze Level komplett von vorne zu spielen, es sei denn man spielt mit Savestates.
Dazu gesellt sich in diesem letzten Level auch das Phänomen , dass man nicht einmal mehr die Waffen der erledigten Gegner für Munition aufsammeln kann. Empfand das daher alles als ein schlecht entwickelter Schlusspunkt eines aus meiner Sicht tatsächlich guten Spiels.

Weil was macht Medal of Honor in Wirklichkeit auch heute noch großartig? Es ist nach wie vor die erzeugte Stimmung und Atmosphäre. Sei es Rufende deutsche Stimmen mit Hundebellen in der Stadt, der Hall eines lauten Knalls einer Artillerie in der Umgebung gemeinsam mit einem Lichtblitz am Horizont, Lautsprecherdurchsagen in Gebäuden und so weiter sorgen schon dafür, dass man sich absolut mittendrin fühlt.
Und abseits der erwähnten Abschlussmission sind auch die anderen Missionen durchaus abwechslungsreich und man ist in Gebäuden, U-Booten und sogar Schiffen genauso unterwegs wie in Außenarealen im Sommer in der Normandie oder im Winter in Norwegen. Auch wenn alles Engine-bedingt ausschließlich bei Nacht stattfindet. Aber selbst das muss man nicht einmal negativ sehen, weil das irgendwie mehr das Gefühl gibt, dass man sich irgendwie geheimnisvoll hinter den feindlichen Linien bewegt, gerade weil man in allen Missionen ohnehin alleine agiert.
Das Spiel bietet nur einen Schwierigkeitsgrad und den empfand ich schon als durchaus angenehm. Man bekommt durchaus das Gefühl, dass man es mit feindlichen Soldaten unterschiedlichen Ranges und Erfahrung zu tun bekommt. Manche sehen dich früher als andere und manche treffen dich auch einfach besser. Nicht zu vergessen, dass Gegner sogar vor Granaten in Deckung gehen oder die mutigen unter Ihnen sogar noch zu der hinlaufen, um sie den Spieler zurück vor die Füße zu werfen. Ziemlich genial für 1999.

Gespielt habe ich die Deutsche Version auf einem PlayStation-Emulator, was die technische Schwäche der ursprünglichen PAL-Version negiert, da sie auf 60 FPS laufen konnte. Die deutsche Version hat natürlich den Nachteil, dass sie symbolbedingt zensiert ist. Vorteil ist dagegen, dass auch die Deutschen in den Missionen Deutsch sprechen, was der Atmosphäre sogar zuträglich ist. In der englischsprachigen Version gibt es zwar das allseits bekannte Hakenkreuz und sogar sowas wie den Hitlergruß... dafür aber Deutsche die ausschließlich Englisch sprechen.

Das Spiel wurde vollständig auf Twitch gespielt und steht als unkommentiertes VOD auf YouTube zur Verfügung.

Reviewed on Feb 06, 2024


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